Was ist CognitiveWeeding?

CognitiveWeeding ist ein vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefördertes Forschungsprojekt (Förderkennzeichen: 67KI21001). Es wird im Rahmen der Initiative „KI-Leuchttürme“ im Schwerpunkt „KI-Innovationen für den Klimaschutz“ gefördert und läuft vom 01.09.2021 bis zum 31.08.2024. Es behandelt das Thema „Selektives Unkraut- und Beikrautmanagement mit Hilfe künstlicher Intelligenz“.

Eine Übersicht gibt auch folgendes Poster.

Was ist unser Ziel?

Ziel des Forschungsvorhabens CognitiveWeeding ist es, eine veränderten Sichtweise auf die Ackerbegleitflora und der damit einhergehenden Unkrautregulierung zu entwickeln. Unter der Berücksichtigung der Ertragssicherheit stehen dabei Biodiversitätserhalt und -steigerung im ökologischen und konventionellen Pflanzenbau im Zentrum. Die Betrachtungsweise geht über die aktuelle Anbauperiode und Fruchtfolge hinaus. Die Ackerbegleitflora wird in Unkraut und Beikraut differenziert, wobei als Unkraut eine unerwünschte und problematische Pflanze im Bestand und als Beikraut eine wirtschaftlich unkritische und ggf. schützenswerte Pflanze in Koexistenz mit der Kultur­pflanze bezeichnet wird. Diese Klassifizierung erfolgt unter Berücksichtigung des betriebsspezifischen Pflanzenbaus sowie der vorgegebenen Standort- und Witterungsbedingungen im Rahmen der Fruchtfolge und der Auswirkung für die Biodiversität auf der jeweiligen (Teil-)Fläche. Entsprechend der Klassifizierung wird dann die Unkrautregulierung durchgeführt werden.

Mit der naturbezogenen, innovativen Entwicklung eines KI-basierten Entscheidungssystems zum artenreichen Bei- und Unkrautmanagement leistet CognitiveWeeding einen Beitrag zur Bewältigung aktueller ökologischer Herausforderungen.

Warum machen wir das?

Die den Ackerbau begleitende Spontanvegetation (allg. als Unkraut bzw. Beikraut bezeichnet) führt bei unterlassener Regulierung u. U. zu großen Ertragsverlusten. Allerdings sind von den ca. 350 spontan auf Ackerflächen auftretenden Pflanzenarten nur etwa 20 als Problempflanzen, also als Unkräuter, anzusehen (z. B. Acker-Kratzdistel, Weißer Gänsefuß, Acker-Fuchsschwanz), deren Regulierung notwendig ist. Die Problempflanzen unterscheiden sich bei den Bewirtschaftungsformen ökologisch und konventionell; so sind im Ökolandbau ausdauernde Arten bedeutender als im konventionellen Landbau. Das Schadpotenzial bestimmter Unkräuter entsteht also erst im Kontext von Bewirtschaftungs­form und Kulturart. Unabhängig davon weisen die meisten im Acker spontan auftretenden Pflanzenarten (z.B. Einjährige Rispe, Vogelknöterich oder Vogelmiere) ertragsbezogen kein oder ein vernachlässig­bares Risiko auf und werden im Projektkontext als Beikraut bezeichnet. Diesem eher geringen pflanzenbaulichen Schadpotenzial steht eine teilweise starke Gefährdung zahlreicher Ackerwild­kräuter sowie deren fundamentale Bedeutung für den Erhalt der Biodiversität in Agrarökosystemen gegenüber. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass Un- bzw. Beikräuter wichtige Nektar- oder Futterpflanzen sowie Lebensraum für verschiedene Insekten und Vögel darstellen.

Unabhängig von der biozentrischen Sichtweise des Naturschutzes zur Notwendigkeit einer Anpassung der Un- und Beikrautregulierung wird eine zukünftige Transformation der landwirtschaftlichen Pflanzenschutzpraxis auch unter agronomischen Gesichtspunkten zunehmend dringlicher. So traten in den letzten Jahren zunehmend Herbizidresistenzen insbesondere bei konkurrenzstarken Problem-Unkräutern auf. Zusätzlich wird diese Situation durch eine fast 20-jährige Stagnation bei der Erforschung/Entwicklung neuer Wirkstoffe/Wirkungsweisen von Herbiziden verschärft. Weiterhin bestehen Wissensdefizite bezüglich der Langzeitrisiken durch Anreicherung von Herbiziden bzw. deren Metaboliten in Böden/Grund- und Oberflächengewässern; die daraus resultierenden zukünftigen Gefahren für Mensch und Umwelt sind nicht umfassend abschätzbar. Zudem führt der durch den Schwund einer diversifizierten Ackerbegleitflora begünstigte Rückgang von Vielfalt und Abundanz zahlreicher Insekten zum Verlust von Ökosystemdienstleistungen, die, wie z.B. die Bestäubung, für zahlreiche landwirtschaftliche Kulturen existenziell sind. Aufgrund der zunehmend skeptischen Wahrnehmung durch Gesellschaft und Medien hat der konventionelle Landbau durch Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln zunehmend Image- und Akzeptanzprobleme.

Wie wollen wir das Ziel erreichen?

Um das Projektziel zu erreichen, werden drohnen-/bodengestützte Sensorsysteme zur Pflanzen­erkennung getestet, weiterentwickelt und validiert. Zu Beginn werden mit bereits existenter Kamera­technik und Software zur Pflanzenklassifikation die Pflanzenarten bestimmt. Das vorhandene System bietet einerseits einen relativ schnellen Zugang von CognitiveWeeding zum Markt und zeigt andererseits die Potenziale und Grenzen einer kostengünstigen Erfassung auf. Im Projekt werden diese Systeme weiterentwickelt (Multisensorik), um durch Interpretation/Integration der Daten in das KI-Entscheidungssystem zusätzliche Optionen zu schaffen.

Die Klassifizierung der detektierten Pflanzen in Unkraut oder Beikraut ist der erste Schritt im KI-System. Die erkannten Pflanzen werden anhand hinterlegter pflanzenbaulicher und naturschutzfachlicher Regeln sowie weiterer Faktoren (z.B. Standortfaktoren auf Teilflächenbasis, Witterungsdaten, (teil-)flächenindividueller Historie) bewertet und Vorschläge für eine Entscheidungsfindung unterbreitet. Die getroffenen Entscheidungen werden im KI-System bei späteren Entscheidungsfindungen berücksichtigt. Dabei ist abzuwägen, in welchem Maße und zu welchem Zeitpunkt Beikräuter toleriert und zur Steigerung der Biodiversität nicht reguliert werden, um damit zusätzliche Lebensräume bzw. Nahrungsquellen für Insekten zu schaffen. Analog dazu erfolgt die Entscheidungsfindung zur Klassifizierung des Unkrautes und dessen Regulierungsstrategie. Dabei sind die Duldungs- und Regulierungsstrategieregeln situationsbezogen und zeitlich variabel. Zeitlich variabel meint, dass die Entscheidungen innerhalb der Anbauperiode neu bewertet werden und interannuell einer Neu­bewertung unterliegen können. So kann mittels KI eine Reduktion oder u. U. ein vollständiger Verzicht auf Herbizide für konventionell arbeitende Betriebe erreicht und dadurch ein Beitrag zur Erhöhung der Umweltverträglichkeit geleistet werden. Ebenso gilt es, ein situationsspezifisches Hacken zur Unkraut­regulierung zu etablieren. Das KI-basierte System vereint Expertenwissen, (teil-)flächenindividuelle Historie der Bewirtschaftung sowie historische und aktuelle Sensordaten, um eine Klassifizierung in Un- und Beikräuter vorzunehmen, damit in der Praxis Entscheidungshilfen zur Regulierung verfügbar sind. Zusätzlich werden räumliche (z.B. Lage im Feld: Feldrand/Feldmitte) und zeitliche (z.B. Entwicklungsstadium Kulturpflanze) Kriterien berücksichtigt.

Das KI-basierte Entscheidungssystem für ein artenreiches Bei- und Unkrautmanagement wird im Projekt prototypisch für ausgewählte Kulturen und deren häufigste Bei- und Unkräuter entwickelt und auf Versuchsflächen erprobt. Diese Fokussierung trägt dazu bei, in der Projektlaufzeit verwertbare Ergebnisse mit Modellcharakter zu erzielen. Sie sollen durch Integration zusätzlicher pflanzenbaulicher Expertise in das regelbasierte System sowie durch Erweiterung der Datenbasis und deren Auswertung (bspw. Pflanzenerkennung) auf andere Kulturen/Flächen mit individueller Historie übertragbar sein. Zur möglichst breiten Anwendung in der Landwirtschaft wird die Spannweite vom ökologischen Landbau bis hin zur „Ökologisch optimierten integrierten Produktion (IP+)“ betrachtet. Der neu geprägte Begriff „IP+“ beschreibt eine konventionelle Landwirtschaft, in der Elemente aus dem ökologischen Anbau sowie Methoden des Schadschwellenprinzips verpflichtend angewendet werden.